Als wäre es das natürlichste auf der Welt tapfer zu sein

BücherKammer Adventskalender Türchen Nr. 19


Ganz viele Jungs aus Herzberg haben so richtig Frust, weil Böllerkaufen gerade untersagt worden ist. Ihr Silvester fällt ins Wasser. Wird anders. Und das wollen sie nicht schlucken. Zumindest ist es das, was ich diese Woche von den Kids oft zu hören bekam. Es war das Kontrastprogramm zu einem Gespräch mit dem sechzehnjährigen Anton. Vor gut zwei Jahren hätte er sicher gut in die Tonart der Böller-Freaks mit einsteigen können. Im April 2019 ist er nach einem Infekt schwer erkrankt. Ein Vierteljahr später schlug ein fremdes Herz in seiner Brust. Sein Eigenes war  – im "Jugendsprech" – Schrott.

 

Ich lag nach unserem Gespräch manche Nacht lang wach. Mich hatte es umgehauen, wie tapfer Anton es hinnahm, vom Leben so richtig in den Hintern getreten worden zu sein. Sein persönlicher Lockdown dauert inzwischen schon mehr als ein Jahr. Er kocht für seine Familie und nimmt am Unterricht via Lern-Roboter am Herzberger Gymnasium teil. Er spielt PC-Spiele und hält, so gut es geht, digital Kontakt zu seinen Freunden. Er sagt schon, was ihn auf die Palme bringt, aber er beklagt sich mit keiner Silbe über die eigentliche Härte seines Alltags, an der zweifellos Viele zerbrechen würden.

 

Wenn ich sagen sollte, für welche Begegnung im Jahr 2020 ich am dankbarsten bin, dann ist es die mit Anton. Wir standen uns nicht persönlich gegenüber, sondern sprachen via Telefon und App miteinander. Ich war bei der Aufzeichnung unseres gemeinsamen Podcasts, der heute veröffentlicht wird, aufgewühlt und mit dem Gedankenhagel in meinem Kopf ziemlich überfordert. Waren meine Fragen angemessen oder unsensibel? Habe ich überhaupt das Recht, nach Gefühlen und Überzeugungen zu fragen, so außenstehend zu sein, dazu gesund und gesegnet mit heiler Welt? Ich weiß es bis jetzt noch nicht genau. Aber wir haben es einfach gemacht.

 

Vielleicht habt ihr Lust Anton kennen zu lernen. Er zeigte mir, dass es das Natürlichste auf der Welt sein kann, tapfer zu sein. Und das mit 16 Jahren auf dem Buckel und deutlich mehr Lebenserfahrung als viele Ältere sie besitzen. DANKE Anton!

Hier geht es zum PODCAST 

Stephanie Kammer