BÜCHERKAMMER Adventskalender Türchen Nr. 2 | Wie ein gefallenes Mädchen mit Spucke und Gottvertrauen Bürgermeistergattin wurde
JESSNIGK. "Alehmes Mama" hieß eigentlich Johanne Alwine Lehmann. Aber alle im Dorf nannten sie respektvoll "Alehmes Mama". Was wir über sie wissen? Sie lebte von 1855 bis 1930. Trotz eines unehelichen Kindes und der Schmach, die damals daraus resultierte, hat sie den elterlichen, stattlichen Hof Alehmes (Altlehmanns) in Jeßnigk übernommen und gemanagt. Sie hatte neun Kinder und einen Ehemann, der seine Führungsrolle im großbäuerlichen Leben in Anisschnaps ertränkte, aber es dennoch zum Kirchenältesten und Ortsvorsteher brachte. Und sie besaß zu allem Übel zänkische Eltern, die aufs Altenteil verbannt, mit Misstrauen und Zweifeln das Treiben der jungen Bauersleute argwöhnisch beäugten.
Ein Foto von Alehmes Mama zeigt eine unerschrockene Siebzigjährige, die immer wieder in ihre kräftigen großen Hände spucken musste, um ihr schwieriges Leben am Schlafittchen zu packten. Der Historiker Mario Huth aus Jeßnigk ist ein Nachfahre von ihr, und er hat über sie im Heimatkalender 2022 geschrieben. Seine Großmutter hinterließ in Mundart verfasst folgende, bezeichnende Zeilen über Alemes Mama: „Die hat imma in de Hände jespuckt un miene Hoare janz jlatt jestrichen bei`t Flechten“. Eine taffe Überlebenskünstlerin längst vergangener Zeit, die sich über Moral, Misstrauen, Existenzängste und schwierige Zeiten resolut hinwegsetzte.
Stephanie Kammer
Die Mischung macht’s im neuen Heimatkalender der Kreisstadt. Polzens Rettung, der Gräfendorfer Mauerbau, Lamborghini-Chefdesigner Mitja Borkert, Spionagevorwürfe gegen Zülldorfer Jungs und schließlich Alemes Mama aus Jeßnigk – all diese Geschichten und vieles mehr führt der Heimatkalender für 2022 auf knapp 200 bunten Seiten zusammen.
Auch eine prima Geschenkidee für alle, die ihre Weihnachtsgrüße mit dem Etwas-Mehr-Inhalt aus der Region Herzberg anreichern möchten.