Endlich gedruckt, geliefert und zu allen Schandtaten bereit
Herzberg. Es war ein Zittern und Bangen bis zuletzt. Bis Anfang November herrschte Papiermangel in der Druckbranche, sodass das Warten auf den Kalender dieses Jahr etwas länger dauerte. „Das erinnerte ein wenig an den Sozialismus“, witzelt Kalendermann Christian Poser, dem besonders die heißen Eisen der 2022-er Ausgabe am Herzen liegen.Gleich zu Beginn zeigt der Artikel „COVID-19 bekommen doch nur die anderen, oder“ persönlich und ergreifend was das Coronajahr 2021 für Rosita Löser aus Kolochau bedeutete. Sie war dabei, als die Proteste vom 29. August in Berlin brodelten und schließlich zur versuchten Erstürmung des Reichstages führten. Wenige Monate später erkrankt die Familie. Ihre Mutter so schwer, dass sie sich nicht mehr davon erholt. Der Beitrag schließt dennoch mit zuversichtlichen Worten und originellen O-Tönen aus Schülermund zum Thema.
Geschichte und Gegenwart ergänzen sich im diesjährigen Kalender auf angenehme Art. Überraschend die heißen Eisen, wie beispielsweise der Beitrag von Simone Müller, der das anhaltende Schweigen der Heimatforschung zu einem düsteren Kapitel der Regionalgeschichte aufbricht.
Der Artikel beleuchtet das Kriegsende in Schlieben, Massenselbstmorde, stellt Fragen nach den Massengräbern und deckt Einzelschicksale auf.
Wie das der kleinen Rosemarie Wegner, die in den letzten Kriegstagen, nach der Bombardierung der Eisenbahnstrecke Schlieben-Herzberg in den Armen ihrer Mutter starb. Auf ihrem Grabstein die Inschrift: „Geboren 18.06.1939. Gefallen 16.4.1945“, als handele es sich um ein Soldatengrab.
Fehlen dürfen aber auch nicht die unterhaltsamen Kalenderseiten, wie die von Reinhard Straach. Der ehemalige Stadtgärtner schaut in Komödiantenmanier zurück auf seine Jahre in der Gräfendorfer Gärtnerei Mitschurin. Auch setzte er Klaus Adelmeyer und seinem Frank-Zappa-Vermächtnis in Gräfendorf ein kleines fröhliches Denkmal. Amüsant auch die Erinnerungen von Günter Schulze an eine Französin, der es vor der Wende 1989 gelang, sich in die DDR bis Herzberg zu schlagen, um beim Sprachurlaub in Herzberg den jungen Männern den Kopf verdrehte.
Der Heimatkalender wartet mit einer guten Mischung auf und zählt unter seinesgleichen zweifelsohne zur zartesten Versuchung seit es Heimatkalender gibt. Vom Interview mit dem aus Herzberg stammenden Lamborghini-Chefdesigner Mitja Borkert bis hin zum Porträt der einst legendären Strömer-Haase-Combo, bietet das Buch regionalen Stories und Inhalten eine äußerst sympathische Bühne.
„Als Ersatz für eine aktuell nicht durchführbare Kalenderpräsentation haben wir uns einen Hör- und Bildgeschichten-Adventskalender ausgedacht, der auf unserer Webseite täglich bis Weihnachten wohldosierte Hör- und Kurzgeschichten über Land und Leute entlang der Schwarzen Elster präsentiert“, empfiehlt Christian Poser die Aktion hier auf der Webseite unter BLOG an.
Aber bitte nur ein Türchen pro Tag und nicht schummeln!
Stephanie Kammer