Eingeständnis eigener Blödheit

Ein Appell an alle AfD-Vergötterer, diesen Text tunlichst zu ignorieren


"Neues aus dem Amt für gescheiterte Gesellschaftssysteme" - Herzberg im Sozialismus +  Expertengespräch mit Dr. Maria Nooke (Fotos: Stine Lehmann) 


Alle, die bei der Brandenburg-Wahl am Sonntag die AfD gewählt haben, lesen bitte nicht weiter. Seite schließen. Jetzt. Unwiderruflich. Und bitte nie wieder aufrufen. Haltet euch fern! 

Ich habe den Glauben an euch verloren. Denn ihr seid nicht die Art Mensch, für die ich euch gehalten habe. Ich war so naiv zu denken, dass ihr euch diesen vermeintlichen Heilsbringern zuwendet, weil ihr euch nach Veränderung sehnt. Weil ihr der Politik, die sich viel zu langsam in diesen chaotischen Zeiten bewegt, einen Denkzettel verpassen wollt. Ja, so dumm war ich! Ich habe geglaubt, im Grunde eures Herzens wollt ihr etwas Gutes. Manchmal habe ich euch sogar in Schutz genommen. Ich dachte an die Hürden und Fallstricke, die uns Ossis in den vergangenen fünfunddreißig Jahren ständig hüpfen und straucheln ließen. Blöd nicht? Darum suchte ich Erklärungen, warum euer Vertrauen in das, was alles schön und aufgebaut worden ist, einen Knacks hat. Ich dachte, wenn viele mithelfen, über die Wesensart der AfD und ihrer Seelenverwandten (Freie Sachsen & Freunde der Demokratie) aufzuklären, dann finden wir zurück zu unserem alten Miteinander. War das nicht bekloppt von mir? 

JETZT habe ich es endlich begriffen: Ihr treuen AfD-Fans wählt eure politischen Helden genau deshalb, weil sie RADIKAL und MENSCHENVERACHTEND auftreten und es im Grunde ihres Charakters sind. Ihr wählt sie, weil ihr für unsere Probleme lieber andere, Schwächere fertig machen wollt. Weil ihr glaubt, das wäre bequemer, als über eigene Fehler nachzudenken, um aus diesem schweißtreibenden Hirngeknete passgenaue Lösungswege für eine gute Zukunft zu schmieden. Mann, lag ich daneben. Peinlichst getäuscht. Zum Davonlaufen! 

Als ich mich vor mehr als zwanzig Jahren für Herzberg als Dreh- und Angelpunkt meines Lebens entschieden habe, warnten mich ganz viele Freunde und Bekannte: „Bist du bescheuert?“ Ich gab mich besserwissend, lächelte und war jahrelang glücklich mit meiner Entscheidung für meine Lieblingsstadt. Jetzt erkenne ich, dass es vielleicht wirklich ein Fehler war. Wie oft habe ich Gästen, Prominenten und Politikern stolz meine tolle Stadt präsentiert. Wie gern habe ich geschrieben über viele fleißige und kluge Menschen der Stadt und über unsere Geschichte. Und jetzt fange ich an, mich für ein gutes Drittel Herzbergs zu schämen.

 

Die vergangenen drei Wochen waren ein echter Galopp. Ich präsentierte mein Buch „Herzberg im Sozialismus“ mit einem selbst geschrieben und selbst inszenierten Solo-Bühnenstück, für das mich unser lieber Hofpianist Sebastian Pöschl begleitete und coachte. Im Anschluss ein Expertengespräch mit Dr. Maria Nooke, Bürgerrechtlerin und Geschichtsprofi für die DDR und den Sozialismus. 140 Leute im Publikum. Reichlich Applaus für die klugen Sichtweisen Nookes. Am Freitag fuhr ich zur Menschenkette nach BaLie, um gegen die Jubelfeier der AfD - Familienfest mit Chrupalla - still und gesittet zu protestieren. 

Eröffnung des Puppentheaterfestivals Elbe-Elster in der Aula des Gymnasiums


Im Anschluss rasten wir zur Eröffnung des Puppentheaterfestivals Elbe-Elster nach Herzberg. Vergnügtes Straßentheater dort und anschließend das brandaktuelle Adolf-Hitler-Stück „Er ist wieder da“.

Gestern am Dienstagabend dann zauberhaftes Figurenspiel auf unserem Theaterboden mit Julia Raab. Die Zuschauerreihen waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Es kamen Menschen aus Senftenberg, Schülerinnen und Schüler, Kulturfans und sogar eine Zeitzeugin. Anhand persönlicher Briefe wurde die ganze Tragik staatlicher und juristischer Willkür im Dritten Reich sichtbar gemacht. Drei Frauenschicksale hervorragend erlebbar durch meisterhafte, pure Schauspielkunst.

Puppentheaterfestival in der BücherKammer mit dem Figurentheater Julia Raab aus Halle. Bildungspolitisches Bühnenspiel, das wärmstens zu empfehlen ist. Auch für Schulen und Mitarbeiterevents.   


Jetzt sitze ich wieder mal erschöpft in meinem Kämmerlein und frage mich: Wozu das alles? Wozu dieser mürbe machende Kampf gegen Dummheit, Ignoranz und menschliche Kälte. Ihr stärker werdenden AfD-Vergötterer ahnt es bereits, ich weiß. Weil ich so blöd bin, noch immer nicht aufgeben zu wollen. Weil ich weiterkämpfe! Wofür? Exakt. Für die zwei Drittel der aufrechten Menschen, die sich genauso für euch schämen, wie ich es tue.

Stephanie Kammer